Federungskonzepte für den Hinterbau

Einleitung

Immer mehr Fahrräder haben nicht nur eine gefederte Gabel, sondern auch eine Federung am Hinterbau. Der Mountainbike-Bereich spielt, wie bei vielen technischen Neuerungen, eine gewisse Vorreiterrolle. Gerade Beim MTB macht der Einsatz von Federungen auch am meisten Sinn.

Dieser Trend ist aber nicht nur auf das Segment der Mountainkikes begrenzt. Viele Trekkingräder, selbst Reiseräder oder Stadträder sind mit Vollfederung zu haben.

In diesem Artikel sollen die verschiedenen Federungskonzepte kurz vorgestellt werden und auf dernen spezielle Vor- und Nachteile eingegangen werden.

Über den Sinn oder den Unsinn von Federungen kann man durchaus geteilter Meinung sein. Das soll aber nicht diskutiert werden, sondern es soll auf die kinematischen Besonderheiten der einzelnen Bauformen eingegangen werden.

Anforderungen an eine Federung für ein Fahrrad

Eine Federung für ein Fahrrad zu konstruieren ist gar nicht so simpel, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag.

Technische Neuerungen für den Mountainbike-Sektor wurden schon öfter aus anderen Bereichen übernommen. Die Scheibenbremse war für das Motorrad schon jahrelang Standard, bevor diese Bremsenart auch am MTB eingesetzt wurde. Eigentlich konnte das technische Konzept komplett übernommen werden, nur das Gewicht musste reduziert werden.

Auch die Teleskop-Federgabel wurde vom Motorrad übernommen und dem Mountainbike angepasst.

Bei der Hinterradfederung ist das nicht so einfach. Beim Motorrad wird die Kette mit einer relativ konstanten Kraft gezogen. Ganz anders beim Fahrrad. 100 bis 200 mal (jede halbe Kurbelumdrehung) wird ruckartig an der Kette gezogen. In den Totpunkten ist die Kraft nahzu Null. Außerdem sitzt ein Radfahrer besonders beim Berghochfahren nicht ruhig im Sattel. Besonders im Wiegetritt drückt ein kräftiger Impuls den Rahmen nach unten.

Würde das Konzept einer Motorradfederung für ein Mountainbike übernommen, dann würde der Hinterbau beim Treten ständig wippen. Am Dämpfer ginge viel Kraft als Wärme verloren.

Eine gute Hinterradfederung für ein Mountainbike sollte das Wippen minimieren.

Inzwischen gibt es einige "intelligente" Federelemente, die zwischen langsam oder schnell aufgebrachter Kraft unterscheiden und bei durch das Pedalieren verursacher Kraft blockieren (Stichwort SPV). Besser ist jedoch eine Hinterbau-Kinematik, die das Wippen minimiert.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied zu Motorradfederungen. Bei vielen Federungskonzepten von Fahrrädern ändert sich beim Einfedern der Abstand zwischen Tretlager und Hinterradachse. Meist vergrößert er sich etwas. Dadurch wird an der Kette gezogen und die Kurbel dreht sich etwas zurück. Dieser Pedalrückschlag wird beim Rad fahren als sehr unangenehm empfunden und sollte durch die Kinematik vermieden oder minimiert werden.

Antriebsschwinge

Grafik AntriebsschwingeBei der Antriebsschwinge bilden Tretlager und gefederter Hinterbau eine Einheit. Dadurch wird vermieden, dass sich beim Einfedern der Abstand von Tretlager und Hinterachse verändert. Dieses System kennt also keinen Pedalrückschlag.

Ein Vorteil ist außerdem, dass nur ein Gelenk notwendig ist. Die Fertigungskosten sind dadurch geringer.

Ein Nachteil der Antriebsschwinge ist, dass die Wirkung nachlässt, wenn im Stehen gefahren wird.

Das größte Problem bei dieser Kinematik ist, dass bei jedem Tritt ein Moment in den Hinterbau eingeleitet wird. Dieses System neigt also zum Wippen. Das Moment kann verkleinert werden, wenn der Drehpunkt weiter nach vorne verlegt wird. Dadurch verhärtet sich der Hinterbau noch stärker, wenn im Stehen gefahren wird.

Der Hinterbau ist mit dem Hauptrahmen nur über ein Gelenk verbunden. Dadurch ist die Steifigkeit relativ gering.

In der Anfangzeit der vollgefederten Mountainbikes war die Antriebsschwinge ein häufig eingesetztes System. Inzwischen sind aber auch die anderen Systeme so ausgereift, dass der Pedalrückschlag vermieden werden kann. Heute überwiegen die Nachteile, so dass dieses System an modernen Mountainbikes nicht mehr eingesetzt wird. An anderen Fahrrädern wird es auch heute noch verwendet.

Eingelenker

Grafik EingelenkerIm Gegensatz zur Antriebsschwinge befindet sich hier das Tretlager am Hauptrahmen. Der Hinterbau ist mit einem Gelenk mit dem Hauptrahmen verbunden. Er bewegt sich beim Einfedern auf einer kreisförmigen Bahn.

Das Verhalten dieses Systems ist entscheidend von der Lage des Gelenkes abhängig. Liegt der Drehpunkt weit oben, dann ist das Ansprechverhalten gut. Allerdings ändert sich dann beim Einfedern der Abstand zwischen Tretlager und Radachse stärker und der Pedalrückschlag wird spürbarer.

Bei modernen Mountainbikes für Touren und Cross Country liegt der Drehpunkt niedriger. Durch bessere Federelemente konnte der Nachteil im Ansprechverhalten ausgeglichen werden.

Befindet sich der Drehpunkt in Höhe der Kette, dann wird der Rückschlag minimiert. Ein Mountainbike hat in der Regel aber drei Kettenblätter unterschiedlicher Größe. Das Gelenk befindet sich dann meist auf der Höhe des mittleren Blattes.

Oft wird beim Eingelenker das Federverhalten durch den Kettenzug beeinflusst. Das Wippen ist oft nur durch spezielle Dämpfer zu vermeiden.

Die Steifigkeit des Hinterbaues ist relativ gering, weil auch hier der Hinterbau mit nur einem Gelenk mit dem Hauptrahmen verbunden ist.

Die Produktionskosten sind durch die einfache Konstruktion relativ gering.

Mehrgelenker (abgestützter Eingelenker)

Grafik MehrgelenkerObwohl das System auf den ersten Blick dem Viergelenker sehr ähnlich sieht, ist es technisch dem Eingelenker näher.

Zwischen Kurbel und Hinterradachse befindet sich genau wie beim Eingelenker nur ein Gelenk. Die Hinterradachse bewegt sich also beim Einfedern auf einer Kreisbahn. Das Gelenk an der Hinterradachse liegt in der Sitzstrebe und nicht in der Kettenstrebe.

Die meisten Aussagen zum Eingelenker treffen auch auf den Mehrgelenker zu. Deswegen wird hier auf die Unterschiede eingegangen.

Der Hinterbau ist an zwei Stellen mit dem Rahmen verbunden, wodurch die Steifigkeit aber auch der Fertigungsaufwand steigt.

Der Mechanismus kann so konstruiert werden, dass das Federelement günstiger als beim Eingelenker angelenkt wird. Das ist neben der höheren Steifikeit der Hauptvorteil dieses Systems.

Viergelenker

Grafik ViergelenkerIm Unterschied zum Mehrgelenker befinden sich zwischen Kurbel und Hinterradachse zwei Gelenke. Dieser kleine Unterschied bewirkt große Änderungen in der Kinematik. Beim Einfedern bewegt sich die Hintrradachse nicht mehr auf einer Kreisbahn. Die Kurve ist entscheidend von der Anordnung der vier Drehpunkte abhängig. Die Bahn kann S-förmig, fast geradlinig oder ellipsenförmig sein.

Bei einem Viergelenker ist es möglich, die Antriebseinflüsse auf die Federung nahzu völlig auszuschalten. Gleichzeitig kann ein sensibles Ansprechverhalten realisiert werden, da wie beim Mehrgelenker das Federelement günstig angelenkt werden kann.

Dieses System bietet theoretisch die meisten Möglichkeiten. In wieweit diese in der Praxis auch wirklich genutzt werden, ist eine andere Frage.

Fazit

Die vier Systeme kann man nicht in gute oder schlechte Systeme einteilen. Jedes System hat seine Berechtigung. Entscheidend ist der Einsatzzweck des Fahrrades. An modernen Mountainbikes ist die Antriebsschwinge nicht mehr zu finden. An anderen Fahrradtypen wird das System aber immer noch häufig eingesetzt. In der Werbung werden Viergelenk-Systeme oft als Innovation dargestellt. Es ist richtig, dass dieser Typ das meiste Potential für eine gute Federung hat. Aber die Gleichung "Viergelenker=hochwertiges Mountainbike" geht nicht auf. Es gibt noch andere Faktoren, die die Qualität der Federung beeinflussen, so zum Beispiel das Federelement und das Dämpfungselement. Oft ist es entscheidender, dass diese sich den Fahrer optimal anpassen lassen.